Atlantik – Tag 6, Abend in Mont-Saint-Michel

Freitag 27. Juli 2018 am Abend

Mont-Saint-Michel und Beauvoir

Schon bevor ich den Mont-Saint-Michel erreicht hatte (ca. um 16:00 Uhr), merkte ich, dass ich hier in einer anderen Welt gelandet war: Hier regiert Herrscher Tourismus mit eiserner Faust. Noch das sanfteste Beispiel: Nachdem ich in den vergangenen 6 Tagen kaum einmal einem Velotouristen begegnet war, standen hier am Veloparkplatz über eine Länge von 50m vollbepackte Velos in Reih und Glied parkiert (Kein Wunder, denn die EuroVelo-Route Nr. 4 von Kiew bis Roscoff führt hier vorbei). Seit ich 1989 das letztemal hier war, hat sich die Umgebung kolossal verändert. Dass der ganze Ufer- und Zugangsbereich mit aufwändigen baulichen Massnahmen verändert wurde, geht ja noch. Jetzt ist der Zugang zum Inselberg gezeitenunabhängig jederzeit möglich. Aber nur noch zu Fuss oder kostenlos mit diesen lustigen Shuttlebussen, die nicht wenden müssen, da sie an beiden Enden einen Führerstand haben:

Shuttlebus

Man hat den Eindruck, dass diese Busse Tag und Nacht im Akkord Touristen hin- und herkarren. Etwas landeinwärts vom Strand aber ist eine regelrechte Tourismus-Stadt entstanden: Eine Menge von Hotels, Restaurants, Bars, Geschäften steht hier Reihe an Reihe. Den Campingplatz fand ich erst gar nicht. Irgendwo stand ein Schild, das erklärte, dass der Empfang im nebenanstehenden Hotel sei. Naiv, wie ich war, fragte ich dort also nach einem freien Plätzchen. Die Gegenfrage: „Avez-vous réservé?“ klärte in Sekundenbruchteilen alles. Nun war ich am Ziel meiner Träume und konnte nicht übernachten! So fuhr ich in den Nachbarort Beauvoir. Den Campingplatz fand ich für einmal recht schnell. Neben dem Empfang hing ein Zettel: „complet“. Na ja, dachte ich mir, für einen armen erschöpften Radfahrer finden sie ja vielleicht irgendwo eine kleine Ecke. Geduldiges Warten in der Schlange lohnte sich. Ganz am Rand des Geländes, zwischen Bernern und Sankt Gallern wiesen sie mir noch ein Stück Rasen zu.

Camping Aux Pommiers

Sobald das Zelt stand und ich mich in einen ausgangsfähigen Zustand gebracht hatte, fuhr ich wieder raus ins Touristenghetto und nahm den Weg über den Steg unter die Füsse (Velos sind nicht erlaubt, leider halten sich aber viele nicht daran und man fühlt sich dann etwas verarscht, denn der Weg zieht sich – so nah der Inselberg auch wirkt – unglaublich in die Länge).

Mont-Saint-Michel 1Mont-Saint-Michel 2Mont-Saint-Michel 3Mont-Saint-Michel 4

Mont-Saint-Michel 5

Das Städtchen hat trotz der vielen Touristen absolut Charme. Ich fühlte mich sofort in die Welt von Harry Potter versetzt: von der Winkelgasse bis zu den gotischen Bögen hat man hier das volle Programm:

im StädtchenAusblick vom Mont-Saint-MichelAusblick vom Mont-Saint-Michel 2Ausblick vom Mont-Saint-Michel 3

Im Laufe meines Rundgangs begann es zu regnen. Erster Gedanke: Das muss jetzt eigentlich nicht unbedingt sein. Zwischendrin drangen aber immer wieder mal zunehmend golden werdende Strahlen der untergehenden Sonne durch. Als ich dann aber das Stadttor verliess, empfing mich eine absolut magische Szene: Alles – auch all die vielen Touristen, die da auf dem Steg standen – strahlte in intensivstem Goldglanz. Und darüber spannte sich ein Regenbogen:

Regenbogen 1Regenbogen 2

Gold 1Gold 2Gold 3Gold 4

Regenbogen 2Regenbogen 3

Emotional nach dem Erreichen meines Ziels ohnehin schon aufgelöst, nach einer Zeit vieler Zweifel dieses Symbol der Bundeszusage unseres Schöpfers zu erleben, war für mich umwerfend. Wie geplant für diesen Augenblick. Und dazu kam: Ich habe immer gesagt, ich möchte die Reise so inszenieren, dass ich bei Sonnenuntergang auf den Mont-Saint-Michel zufahren würde, wie ich es vor 29 Jahren erlebt habe. Meine Anfahrt hatte sich ja zwar dann etwas anders gestaltet, aber jetzt diesen Augenblick zu erleben, war mehr und intensiver als alles, was ich mir erträumt hatte!

magischer Mont-Saint-Michel

Der Tag war ja noch in anderer Hinsicht ein sehr spezieller: Es ereignete sich eine Jahrhundertmondfinsternis zusammen mit einer Konjunktion zum Mars. Da nach Sonnenuntergang wieder dickere Wolken aufzogen, erwartete ich, davon nichts sehen zu können. Tatsächlich aber lichteten sich diese just in der Phase, als der Mond voll im Kernschatten lag. Leider gibt es dazu kein Bild, denn als ich einen Ort mit möglichst wenig Lichteinfluss gefunden hatte, war der Mond schon wieder von Wolken verdeckt (Ist auch nicht so schlimm. Beim vorletzten Blutmond hatte ich grossen Aufwand betrieben, gute Fotos zu machen. Ihr findet sie hier). Etwas später war er nochmal zu sehen, als er noch etwa zur Hälfte vom Erdschatten bedeckt war. Was für ein Abend!